Die Erben der Fotoarchive – Was wird aus den Fotos

Als meine Großmutter starb, hinterließ sie meinen Eltern zwei große Kisten mit Fotoplatten. Die auf Glas gebannten Motive hatte meine Urgroßmutter, geboren 1876, fotografiert und entwickelt. Meine Eltern übergaben dem Entrümpelungsunternehmen die Kisten. Sollten die damit machen, was sie wollten. Niemand hatte Interesse an den Fotografien einer der ersten Fotografinnen einer schleswig-holsteinischen Kleinstadt. Ein Grund für die „Entsorgung“ war die fehlende Beschriftung der Fotos.

Es wusste niemand mit den Fotos etwas anzufangen

Die Personen, die hätten sagen können, was auf den Negativplatten zu sehen gewesen ist, waren gestorben. Vielleicht hätte man  Fotos behalten, wenn dort z. B. gestanden hätte „Tante Anna aus Berlin zu Besuch im Eutiner Schlossgarten.“ Und wenn Tanta Anna aus Berlin keine berühmte Opernsängerin war, vielleicht wäre ja der Schlossgarten zur Jahrhundertwende heute ein interessantes Bild.

Die Last der Erben

Erben digitaler Fotoarchive stehen vor ähnlichen Problemen wie meine Eltern damals. Das Lebenswerk eines Berufsfotografen umfasst tausende von Bilddateien. Natürlich ist nicht jedes Bild gelungen und über den Tod des Fotografen hinaus von historischer Bedeutung und wirtschaftlich verwertbar. Auch wenn es nicht zwei Kisten mit schweren Glasfotoplatten sind; ein unaufgeräumtes Erbe kann zur Last werden. Wer will sich die Zeit nehmen und sich durch die Archive kämpfen? Und wer kann Auskunft geben, welche Menschen, Situationen, Landschaften und Gebäude einmal später eventuell von Interesse für die Nachwelt sind? Eigentlich doch nur der Fotograf selber. Denn er hat sich ja wie kein anderer mit seinen Bildthemen befasst.

Werte erhalten durch Bildinformationen

Fotografen, die ihren Erben einen Wert hinterlassen wollen, sollten daher ihren digitalen Bildbestand unter dem Gesichtspunkt „vererben“ ordnen. Was im Berufsalltag oft aus Zeitgründen nicht gelingt, sind ausführliche Bildbeschriftungen (Metadaten) zu den großen W-Fragen (Wer, Was, Wann, Wo, Wie und Warum). Weiter von Bedeutung sind Verschlagwortungen und Angaben über bereits vergebene Nutzungsrechte (Auftraggeber). Letzteres ist besonders bei Auftragsarbeiten sinnvoll. Denn hier werden ja häufig exklusive Nutzungsrechte vergeben, so dass eine weitere Verwertung durch den Urheber b. z. w. seine Erben ausgeschlossen ist.

Beispiel für eine Bildbeschreibung, mit der das Foto zu verwerten ist: „Das Archivfoto, aufgenommen am 8.9.1992 in Hamburg, zeigt eine Luftaufnahme der "Queen Elizabeth 2". Das Luxuskreuzfahrtschiffes liegt im Schwimmdock der Werft HDW an der Elbe in Hamburg zur Überholung liegt. (Nordbild / Christian Eggers)
Beispiel für eine Bildbeschreibung, mit der das Foto zu verwerten ist: „Das Archivfoto, aufgenommen am 8.9.1992 in Hamburg, zeigt eine Luftaufnahme der „Queen Elizabeth 2“. Das Luxuskreuzfahrtschiffes liegt im Schwimmdock der Werft HDW an der Elbe in Hamburg zur Überholung. (Nordbild / Christian Eggers)

Urheberrechte können geerbt werden

Urheberrechte sind vererblich (§ 28 UrhG). Das betrifft die Nutzungs- und Verwertungsrechte an den Fotos, wie auch die Urheberpersönlichkeitsrechte. Den Erben stehen die gleichen Rechte zu, wie der Urheber (Fotograf) sie selber hatte. So ist es auch möglich, dass die Erben den geerbten Bildbestand einer Agentur zur Vermarktung übergeben. Es sei denn, der Fotograf hat per letztwilliger Verfügung etwas anderes bestimmt.

Ablauf des Urheberrechtsschutzes

Bei Lichtbildwerken können die Erben bis 70 Jahre nach dem Tode des Fotografen die Urheberrechte ausüben. Beispiel: Todesjahr 2000. Die Fotos werden gemeinfrei ab dem 1. Januar 2071 (vgl. §§ 64, 69 UrhG).

Bei sogenannten Lichtbildern ( Fotos, die u.a. keine Individualität erkennen lassen. So wie z. B. häufig im Bereich der Stockfotografie) beträgt die Schutzfrist 50 Jahre (§ 72 Absatz 3 UrhG). Ist das Bild innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubt öffentlich wiedergegeben worden, ist es gemeinfrei. Wird das Bild vom Fotografen innerhalb von 50 Jahren nach Herstellung veröffentlicht, beginnt eine weitere Schutzfrist von 50 Jahren ab Erscheinen.

Der gehobene Schatz und die Belohnung des Entdeckers

Was wäre nun, wenn die Kisten mit den Fotos meiner Urgroßmutter in einer dunklen Ecke eines Lagers erhalten geblieben sind und von einem Enkel des Entrümpelungsunternehmer entdeckt werden? Nehmen wir an, der Enkel macht sich die Mühe die Bildinhalte zu recherchieren und einen Bildband „Eutin um die Jahrhundertwende“ herauszugeben.

In diesem und ähnlichen Fällen „belohnt“ das Urheberrechtsgesetz die Arbeit des Entdeckers der die Bilder veröffentlicht. Nach § 71 UrhG unterliegen nicht erschienene Werke, die 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erstmals veröffentlicht werden, einem 25 Jahre andauernden Leistungsschutzrecht. Die eigentlich gemeinfreien Bilder meiner Urgroßmutter werden nun zugunsten des veröffentlichenden Entdeckers erneut geschützt. Er kann die von ihm veröffentlichten Fotos wie ein Urheber verwerten und es stehen ihm auch die gesetzlichen Vergütungsansprüche zu.

Eigentlich tut es mir leid, dass ich als damals 14-Jähriger die Fotoplatten meiner Urgroßmutter nicht retten konnte.

(Christian Eggers, 5. Juli 2016. Dank an nowak-photodesign.de für die Artikelidee)

Der Autor hat sich auf die Schulung und Beratung von Unternehmen im digitalen Bildrechtemanagement spezialisiert und ist als Dozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen tätig.