Bildgestaltung bei eingeschränkter Fotoerlaubnis – Eine Chance für Berufsfotografen

Zu meinem Artikel „Darf ich Sie fotografieren?“ habe ich zahlreiche Leserbriefe bekommen. „Wenn das alles stimmt, wie soll ich so noch meine Arbeit machen?“ und ähnliche Überlegungen standen dabei im Mittelpunkt. Ich sehe in dem kontinuierlich ausgedehnten Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte fotografierter Personen keine unüberwindlichen Nachteile und Behinderungen bei der Berufsausübung, sondern eine Herausforderung und Chance für den Berufstand professioneller Fotografen. Voraussetzung dafür ist, dass wir umdenken und die Ausweitung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte fotografierter Personen akzeptieren. Denn das kreative Fotografieren unter Einbezug der Rechtslage gibt dem professionellen Fotografen eine zusätzliche Kompetenz, die ihn als Experten auszeichnet.

 

Mit der Rechtslage leben, arbeiten und gewinnen

Der zunehmende wirtschaftliche Druck, der über die zahlreichen Klagen auf Verlage und Agenturen ausgeübt wird, kann Ihnen helfen, dass unsere Arbeit gegenüber der Arbeit eines weniger qualifizierten Kollegen wieder an Wert gewinnt. Für den Auftraggeber kann es entscheidend sein, ob der Fotograf in der Lage ist, rechtlich unbedenkliche Bilder zu liefern und er dennoch ein Thema dabei anspruchsvoll umsetzt.

 

Qualifikation unter Beweis stellen

  • Bei der Bildgestaltung, die die Rechtslage mit einbezieht, ist der Fotograf gefordert ein Thema besonders gründlich zu durchdenken. Er kann sich nicht auf das dokumentarische Foto zurückziehen, sondern er muss Lösungen finden, die das Thema z.B. mehr durch Atmosphäre und Symbole treffen. Darin liegt gerade in der Pressefotografie ein Zugewinn an Gestaltungsfreiheit, die jetzt auf Akzeptanz beim Auftraggeber stößt
  • Abwechslungsreiche Bildgestaltung ist ohne Kameratechnik und dem bewussten Einsatz von Zeit und Blende nicht möglich. Der Cross Media Reporter Kollege kann in der Regel auf Grund seiner Ausrüstung nur bedingt gestalten und komplexere fotografische Aufgaben nicht erfüllen.

 

Fallstudie „Personen als Beiwerk“

Die Aufgabe: Für eine Pressemitteilung mit einem „Handout-Photo“, einem honorarfreien Foto zur Weiterverbreitung, soll der neue Geschäftsführer der XYZ Warenhaus GmbH unbedingt so porträtiert werden, dass im Hintergrund möglichst großer Kundenandrang zu sehen ist.

Der Geschäftsführer hat natürlich in das Fotografiert werden und in die Veröffentlichungen im Rahmen der Berichterstattung eingewilligt. Aber was ist mit den Kunden im Hintergrund des Bildes?

  • Lösungsversuch durch die Interpretation der Rechtslage: Sie stehen auf dem Standpunkt, die Personen seien nur Beiwerk des Fotos und damit brauchen Sie nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG keine Einwilligungen bei Bildern, „auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen“. Die Lehre und die Rechtsprechung interpretieren „Personen als Beiwerk“ jedoch restriktiv: „Wäre das Foto seinem Wesen nach noch dasselbe Foto, würde man die Personen hinwegdenken?“ In unserem Fall wohl kaum.
  • Lösungsversuch mittels Einwilligungen: Sie fragen die Kaufhausbesucher, ob sie einverstanden sind, dass sie fotografiert werden und dieses Bild auch veröffentlicht werden kann. Leider nicht praktikabel bei so vielen eiligen Menschen.
  • Lösungsversuch über die Bildgestaltung: Die Persönlichkeitsrechte ohne Einwilligung fotografierter und veröffentlichter Personen werden nur dann tangiert, wenn man die abgebildeten Person erkennen (identifizieren) kann. Sie haben jetzt die Möglichkeit den neuen Geschäftsführer mit einem ungewöhnlichen Bild glücklich zu machen. Eine kreative Lösung ist die „Langzeitbelichtung“, mit der alle sich bewegenden Personen verschwimmen. Eine einfachere Variante ist das Fotografieren mit einer langen Brennweite bei offener Blende. Der Hinterund verschwimmt durch Unschärfe. Dennoch vermittelt er den Eindruck und die Atmosphäre einer Menschenmasse. Oder Sie experimentieren, wenn noch Zeit, ist mit beiden Effekten: Lange Brennweite, offene Blende und lange   Belichtungszeit, so dass die Bewegungsunschärfe den Hintergrund zu einem Gemälde aus Farben und Bewegung verdichtet.

 

Ist die Person neben dem Strandkorb "Beiwerk"? Eindeutig nein! Sie ist ein wesentliches Gestaltungselement und würde man die Person hinwegdenken, würden Wesensgehalt der Komposition und die Aussage nicht mehr die sein, die das Bild mit der Person vermittelt.  Darf ich das Bild trotzdem veröffentlichen ohne Einwilligung der Person? Dafür spricht, dass die Frau nur als Silhouette im Gegenlicht zu sehen ist und sie somit für den Betrachter nicht individualisierbar ist. Würde auch nur eine naher Bekannter sie erkennen? Dann dürfte ich das Bild nicht veröffentlichen.
Ist die Person neben dem Strandkorb „Beiwerk“? Eindeutig nein! Sie ist ein wesentliches Gestaltungselement und würde man die Person hinwegdenken, würden Wesensgehalt der Komposition und die Aussage nicht mehr die sein, die das Bild mit der Person vermittelt. Darf ich als Urheber das Bild trotzdem veröffentlichen ohne Einwilligung der fotografierten Person? Dafür spricht, dass die Frau nur als Silhouette im Gegenlicht zu sehen ist und sie somit für den Betrachter nicht individualisierbar ist. Dann wird davon ausgegangen, dass durch die Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte nicht berührt werden. Wird die Person, z.B. über die Kleidung, auch nur für einen sehr kleinen Personenkreis erkennbar, wird es schon wieder heikel. Würde der Wahrscheinlichkeit nach eine naher Bekannter die Person erkennen? Dann dürfte ich das Bild ohne Einwilligung nicht veröffentlichen.

 

Fazit

Die Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte fotografierter Personen erfordert kreative Lösungen in der Bildgestaltung. Diese sind nur mit soliden Kenntnissen in der Fotografie und technischen Aufwand zu verwirklichen. Verlage und andere Bildnutzer stehen unter Druck durch zunehmende Klagen fotografierter Personen. Nutzen Sie diese Umstände für Ihre Arbeit und zeigen Sie, wie Sie Ihren Auftraggebern Ärger ersparen können.

Lesen Sie sich in das „Bildrecht“ ein und besuchen Sie Fortbildungen, falls Sie es bisher nicht getan haben. Sie können sich dann durch Ihr Wissen dem Auftraggeber gegenüber profilieren und Sie stoßen gerade mit dem Thema „Persönlichkeitsrechte fotografierter Personen“ inzwischen auf weit geöffnete Ohren. Entwickeln Sie kreative Lösungen für das Arbeiten unter den einschränkenden Rechten. Hier können Sie sich als Fotograf beweisen, Freude bei der Arbeit haben und dabei auch noch Rechtstreitigkeiten vermeiden.

Christian Eggers / Nordbild GmbH, Kiel, den 07.02.2015

 

Literaturtipp: „Recht für Fotografen“ von Wolfgang Rau Ò