Das Recht zum Teilen – Verbreitung von Personenfotos innerhalb sozialer Netzwerke

Letzte Aktualisierung: 30. Mai 2020 – Lesezeit 12 Minuten

Von Christian W. Eggers

In diesem Artikel geht es um das Teilen von Personenfotos innerhalb sozialer Netzwerke. Der Teilende benötigt eine Berechtigung zum Weiterteilen von Personenfotos. Sie erfahren, wie die Persönlichkeitsrechte abgebildeter Personen beim Teilen eingehalten werden können.

Unterliegen Interaktionen zu Personenfotos in sozialen Netzwerken dem Datenschutzrecht?

Technisch ist das Teilen bzw. Retweeten eine vom teilenden Nutzer initiierte Verbreitung eines Personenfotos. Dieser Vorgang ist als Datenverarbeitung einordnen. Das Foto-Posting wird in der Timeline des teilenden Account-Inhabers wiedergegeben und damit durch die Teilen-Handlung weiteren Nutzern sowie auch externen Besuchern des Accounts gezeigt.

Soweit personenbezogene Daten nicht zu rein privaten Zwecken verarbeitet werden, ist grundsätzlich der Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eröffnet. Bei der Behandlung von Personenfotos als personenbezogene Daten zeichnet sich ab, dass die Rechtsprechung das „mildere“ Kunsturheberrechtsgesetz mit seinen Grundsätzen zum „Recht am Bild“ heranzieht. Jedoch geschieht dieses bei der Abwägung der Interessen des Abgebildeten gegenüber den Interessen des Verbreiters im Rahmen der datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlage Art. 6 Buchst. f DSGVO.  (Vgl. LG Frankfurt, Urteil v. 26.September 2019 – 2-03 O 402/18 („E-Mail-Foto“) mit weiteren Nachweisen; VG Hannover, Urteil v. 27. November 2019 – Az. 10 A 820/19, „Ampel-Foto“).

Rechtsgrundlagen zum Teilen von Personenfotos

Entsprechend des aus Art. 6 Abs. 1 DSGVO folgenden Grundsatzes, dass keine Datenverarbeitung ohne eine Rechtsgrundlage erfolgen darf („Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“), ist vor der „Verbreitungshandlung Teilen“ eines Personenfotos nach einer Berechtigung zum Teilen des Fotos zu suchen.

Mögliche Rechtsgrundlagen innerhalb eines sozialen Netzwerkes Personenfotos zu teilen können sein:

  • die Einwilligung eines Betroffenen sein Bild einzustellen und es Nutzern zum Teilen zur Verfügung zu stellen ( 6 Abs. 1 Buchst. a DSGVO)
  • ein Vertrag im Sinne der DSGVO, aus dem sich das Teilen durch Nutzer legitimieren lässt ( 6 Abs. 1 Buchst. b DSGVO),
  • die legitimen „Interessen“ des Teilenden als Verantwortlichem der Verbreitung (Datenverarbeitung), wenn diese die  Interessen des Abgebildeten (Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte, Recht auf informationelle Selbstbestimmung) überwiegen ( 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO) „berechtigte Interessen“ und für öffentliche Stellen Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DSGVO „öffentliches Interesse“.

Fallkonstellationen des Teilens

Zu unterscheiden sind Fotos, die Mitglieder von sich selbst einstellen („Selfies“) und Fotos fremder Personen, die von Mitgliedern gepostet wurden.

Beispiel 1 – Teilen von Mitglieder-Personenfotos durch Mitglieder

Twitter-Mitglied X fertigt von sich ein „Selfie“ an und veröffentlicht sein Foto auf Twitter. Mitglied „Y-Fotostudio“ teilt das Foto mit seinen Followern mit einem abwertenden Kommentar über das Aussehen von X. Einige Twitter-Follower des Y  finden das von Y mit Kommentar versehene Foto des X jetzt lustig und teilen es ebenfalls.

Wirksame Einwilligung?

Mit dem Einstellen bei aktivierter Teilenoption könnte eine Einwilligung von X als „schlüssige Handlung“ gegenüber den Twitter-Mitgliedern zur Verbreitung erfolgt sein. Gegen die Annahme einer wirksamen Einwilligung  des „Selfie-Fotografen“ bestehen Bedenken: Der Einstellende kann nicht wissen, in welchem Kontext sein Bild von den Nutzern weiterverbreitet wird. Nicht selten werden auch „Selfies“ mit Kommentaren versehen, die mehr als ungünstig für den Betroffenen sind oder die den Betroffenen für völlig neue Zusammenhänge instrumentalisieren. Eine wirksame Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 Buchst. a DSGVO, Art. 7 DSGVO) zur Weiterverbreitung des „Selfies“ kann sich auf  das einfache Teilen der Twitter-Nutzer beziehen. Nicht jedoch pauschal auf unbestimmte Zusammenhänge, die der Einstellende nicht kennen kann.

„Berechtigte Interessen“ des Teilenden

Das Teilen kann ohne die Einwilligung der abgebildeten Person zulässig sein, wenn der Teilende „berechtigte Interessen“ geltend machen kann, welche die Interessen des Abgebildeten an der Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte überwiegen. Es bedarf im Rahmen des Art. 6 Abs. Buchst. f DSGVO einer Rechtsgüterabwägung zwischen den Interessen des Account-Inhabers, der sein eigenes Foto eingestellt hat, und den Interessen des Account-Inhabers, der das Foto durch Teilen verbreiten will.

Im Falle des Mitglieds, welches sein eigenes Abbild eingestellt hat, ist in die Abwägung einzubeziehen, dass das Mitglied sein Foto selber zum Teilen und kommentieren bereitgestellt hat ( ausführlich zur Rechtsgüterabwägung beim Teilen innerhalb eines Netzwerks: Golland, Datenverarbeitung in sozialen Netzwerken, S. 243 ff).

Ein einfaches Teilen,  ohne dass ein neuer Verbreitungskontext durch Kommentieren hergestellt wird, ist in der Regel auch auf der Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO unproblematisch.

Wird jedoch das vom Mitglied eingestellte Foto aus dem Kontext des Ursprungs-Postings gelöst, muss der Teilende zuvor genau prüfen, ob seine Interessen die Interessen (Persönlichkeitsechte, hier Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung) des Betroffenen überwiegen. Hierbei ist auf den konkreten Einzelfall abzustellen.

Zur Verdeutlichung ein weiteres Beispiel: Ein Schüler nimmt an einer Fridays-for-Future-Veranstaltung teil und postet auf Twitter ein „Selfie“, welches ihn vor einem Protestplakat zeigt, auf dem sich zwei Rechtschreibfehler befinden. Ein als Lektoratsbüro registrierter Twitter-Nutzer teilt das Foto mit dem Kommentar „Schule schwänzen ist in Ordnung! Aber mit uns wäre das nicht passiert.“

Das teilende Lektoratsbüro kann sich auf die Meinungsfreiheit sowie auf wirtschaftliche Betätigungen als seine berechtigten Interessen dann wirksam berufen, wenn die Verbreitung des Fotos mit Kommentar die Interessen des Jugendlichen überwiegen. Hier wird der Tweet des Schülers nicht zur Ausübung der Meinungsfreiheit geteilt, sondern zu werblichen Zwecken. Die werbliche Nutzung (ohne Zustimmung des Abgebildeten) ist ein Fall der „berechtigten Interessen“ des Abgebildeten, die nach der ständigen Rechtsprechung zum § 23 Abs. 2 KUG in der Regel die Befugnisse des Verbreitenden überwiegen. Es ist eine Einwilligung des Schülers in eine derartige (Weiter-) Verbreitung durch Netzwerkangehörige erforderlich.   

Beispiel 2 – Teilen von Fotos netzwerkferner Personen

Twitter Mitglied X fotografiert die Passantin P und stellt das Foto auf Twitter ein. P ist nicht bekannt, dass sie fotografiert wurde und ihr Foto auf Twitter veröffentlicht ist. Twitter-Mitglied „Fotostudio Y“ teilt das Foto als ein Beispiel für besonders gelungene Straßenfotografie. Eine Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 Buchst. a DSGVO) der Passantin in Verbreitungshandlungen ihres Fotos auf Twitter scheidet aus.

Twitter-AGB begründen keine Rechtsgrundlage

Ein vertragliches Recht (Art. 6 Abs. 1 Buchst. b DSGVO) das Fotostudio Y als Verantwortlichen der Datenverarbeitung „Weiterverbreitung des Fotos der Passantin“ berechtigt, lässt sich auch nicht aus der Twitter-Mitgliedschaft herstellen. Y kann sich nicht auf die Twitter AGB berufen und damit die Weiterverbreitung legitimieren. Im Gegensatz zu älteren Formulierungen der Twitter AGB enthalten diese zudem keine Hinweise mehr, die das Verbreiten von Inhalten innerhalb der Plattform ausdrücklich unter „Ihre Lizenz zur Nutzung der Dienste“ erwähnt. Vielmehr wird in Ziffer 3 der AGB ausdrücklich auf eine Nutzung „auf eigene Gefahr“ verwiesen.

Die Lösung liegt in der Interessenabwägung

Das Teilen kann jedoch (wie oben im Beispiel 1) mit den „berechtigten Interessen“ des Y nach der Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 Buchst f DSGVO rechtmäßig sein. Y kann für sich das Interesse an der Ausübung der Kunstfreiheit in Anspruch nehmen. Auf der anderen Seite der Waagschale zur Abwägung steht das Interesse der Passantin an der Wahrung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Mag die Verbreitung eines Personenfotos zur Ausübung der Kunstfreiheit auf einer Website im Einzelfall gerechtfertigt sein, so muss die Kunstfreiheit hinter der massenhaften, unkontrollierten und irreversiblen  (Weiter-) Verbreitung durch das Teilen innerhalb sozialer Netzwerke zurücktreten. 

Fazit zum Teilen von Personenfotos

In der Praxis bedarf es eines Bewusstseins der Social-Media-Managerinnen und Manger, dass mit jeder Verbreitungshandlung durch Teilen eines Personenfotos eine Datenverarbeitung vorgenommen wird und diese in der Verantwortlichkeit des jeweiligen teilenden Account-Inhabers liegt.

Ein kritischer Blick auf problematische Inhalte des Ursprungs-Postings aber auch auf die Herkunft und Aufnahmeumstände eines Personenfotos vor dem Teilen kann übereilte und nicht rechtmäßige Verbreitungen verhindern.

Besondere Aufmerksamkeit verdient das Teilen unter Kommentierung des Personenfotos. Denn hier ändert sich mit der Kommentierung häufig der ursprüngliche Veröffentlichungskontext. Für eine erlaubte Verbreitung in einem neuen und dem Betroffenen unbekannten Zusammenhang wird dann eine vom Betroffenen durch das Einstellen erteilte ursprüngliche (konkludente) Zustimmung in der Regel nicht ausreichen. Insbesondere dann nicht, wenn sein Personenfoto plötzlich in werblichen Zusammenhängen genutzt wird oder das Teilen unter für den Betroffenen ungünstiger Kommentierung erfolgt.

Letzte Aktualisierung dieses Artikels am 30. Mai 2020

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Der Autor dieses Artikels ist freiberuflicher Dozent für Fortbildungen im Bildrechtemanagement und Medienrecht, zertifizierte Fachkraft für Datenschutz sowie Autor des Buches „Quick Guide Bildrechte“. Sein Schulungsangebot zum Bildrecht ist auf die Fortbildung von Fach- und Führungskräften in der Unternehmenskommunikation und der Presseverlage ausgerichtet.