Rechtsgrundlagen zur Langzeitarchivierung von Personenfotos in Unternehmen und Vereinen

Letzte Aktualisierung: 23. Juni 2019

Vor einigen Monaten sah ich in einem Sitzungsraum eines Unternehmens ein die Wand ausfüllendes beeindruckend künstlerisch in Szene gesetztes Belegschaftsfoto aus den 70er Jahren. Sogar die Werksfeuerwehr war in voller Montur zu dem Fototermin angetreten. Der Pressesprecher des Unternehmens fragte, ob das Bild „in den Zeiten der Datenschutzgrundverordnung“ überhaupt noch erlaubt sei und ob es solche Bilder denn zukünftig nicht mehr geben könne, weil vielleicht einige der abgebildeten Personen einen Anspruch auf Löschung geltend machen könnten.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Frage, wie Unternehmen und Vereine auch zukünftig Personenfotos für ihre zukünftigen Chroniken rechtmäßig archivieren können und wie dabei die Rechte der abgebildeten Personen zu schützen sind.

Archive der Vereine und Unternehmen haben einen geschichtlichen Wert

Vereins- und Unternehmenschroniken mit ihren historischen Fotos sind ein Bestandteil der Wahrung von Traditionen und der Dokumentation der geschichtlichen Entwicklung. Im Mittelpunkt stehen meist Menschen, die die Geschicke einer Organisation maßgeblich beeinflusst haben. Ebenso beeindruckend wie die „Ahnengalerie“ der Geschäftsleitung sind die historischen Fotos einer Belegschaft. Mit Geltung der DSGVO bedarf die rechtskonforme Archivierung von Mitarbeiterfotos sowie von Besuchern von Unternehmensveranstaltungen wie Messen und Jubiläen einer Rechtsgrundlage entsprechend Art. 6 DSGVO. Diese kann als Einwilligung oder im Rahmenn eines (Model-) Vertrags oder auch als „berechtigtes Interesse“ bestehen.

Die Einwilligung der abgebildeten Personen in die Langzeitarchivierung ist zwar prinzipiell möglich, aber keine gute Lösung zur Sicherung der Kontinuität des Archives. Denn mit dem jederzeit und ohne Begründung möglichen Widerruf der Einwilligung zur Langzeitarchivierung müsste die Archivdatei gelöscht werden.  

Wie weit geht die Löschungspflicht von Fotodaten?

Art. 17 DSGVO benennt die Fälle, die für den Betroffenen ein „Rechts auf Vergessenwerden“ begründen. So löst zunächst der Widerruf einer Einwilligung zur Veröffentlichung eines Personenfotos auch die Pflicht zur Löschung aus. Die Frage ist, ob damit auch die Löschung der in den Pressestellen der Unternehmen, Vereine und Behörden archivierten Roh- und Master-Bilddateien von der Betroffenen Person verlangt werden kann. Art. 17 DSGVO begründet zwar ein „Recht auf Vergessenwerden“, jedoch ist dieses Recht nicht schrankenlos, so dass eine Reihe gesetzlicher Ausnahmen von Löschungspflichten bestehen, wenn die Verarbeitung zu bestimmten Zwecken weiterhin erforderlich ist.   

Ausdrücklich für Archivzwecke dürfen personenbezogene Daten gespeichert werden, wenn dieses zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt, erfolgt. Die Übernahme von Personenfotos aus der Öffentlichkeitsarbeit der Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen in öffentliche Archive, wie z. B. einem Stadtarchiv einer Kommune, ermöglicht die Ausnahmeregelung des Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DSGVO sowie Art. 89 DSGVO in Verbindung mit dem jeweiligen Landesdatenschutzgesetz. Es besteht keine Löschungspflicht der Archivdateien, wenn die Fotos im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit einer Behörde oder einer sonstigen öffentlichen Stelle rechtmäßig angefertigt wurden.

Unternehmen und Vereine können sich leider nicht auf eine vergleichbare Archiv-Regelung des Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DSGVO berufen.

Archivierung im „berechtigten Interesse“ Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO

Denkbar ist, dass Unternehmen und Vereine Personenfotos zunächst mit der Einwilligung (Art. 6 Absatz 1 Buchstabe a DSGVO, Art. 7 DSGVO) der Abgebildeten anfertigen und nutzen. Eine Langzeitarchivierung kann anschließend unter Einhaltung der Betroffenenrechte, insbesondere der Informationspflichten gemäß Art. 13 DSGVO, als eigene Stufe der Datenverarbeitung auf die Rechtsgrundlage des Art. 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO (berechtigte Interessen) gestützt werden.

Rechtsgüterabwägung – Urheberrechtliche Nutzungsrechte versus „Recht auf Vergessenwerden“

Hierfür ist zunächst in der Rechtsgüterabwägung zwischen Verantwortlichen und Betroffenen das Überwiegen der Interessen des Unternehmens oder Vereins gegenüber den Interessen der abgebildeten Personen erforderlich. Im Einzelfall wäre zu klären, ob die Archivierung einzelner ausgesuchter Fotos unter „eingeschränkter Verarbeitung“ das Recht auf Vergessenwerden der Abgebildeten überwiegt. Dabei kann das Unternehmen oder der Verein anfüheren, dass ein wirtschaftliches Interesse am Erhalt der Nutzbarkeit urheberrechtlich erworbener Werte besteht. Das berechtigte Interesse ergibt sich aus der Stellung der Organisation als Inhaber von urheberrechtlichen Nutzungsrechten. Weiter kann ein ideelles Interesse zur späteren Dokumentation der Unternehmens- oder Vereinsgeschichte in die Waagschale der Rechtsgüterabwägung gelegt werden.

Ob eine Rechtsgüterabwägung hier zugusten der Nutzungsrechteinhaber ausgeht und einer gerichtlichen Überprüfung standhält, lässt sich derzeit nicht beantworten.

Praxis: Einwilligung und Informationspflichten

In der Praxis müssten den zu fotografierenden Personen die eventuelle Langzeitarchivierung ihrer Fotos auf Grund des Transparenzgebotes der DSGVO zur Kenntnis gebracht werden. Wird eine Einwilligung eingeholt, muss der Betroffene auch wissen, dass seine Einwilligung den weiteren Verarbeitungsvorgang der Langzeitarchivierung im „berechtigten Interesse“ auslöst. Ein Einwilligungstext muss somit als willensbildenden Bestandteil der Zustimmung in die Erstellung und Nutzung auch darüber informieren, dass die anschließende Langzeitarchivierung auf der Rechtsgrundlage des Art. 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO erfolgt und dass der in die Anfertigung und Nutzung Einwilligende bezüglich einer Archivierung lediglich ein Widerspruchsrecht geltend machen kann.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass eine Langzeitarchivierung auf der Rechtsgrundlage des Art. 6 Absatz 1 Buchst. f DSGVO zur Zeit unsicher ist. Eine Klärung der urheberrechtlichen Stellung im Verhältnis zum Datenschutz ist bisher nicht erfolgt.

Fotoarchivierung auf Grund der Ausnahmeregelung des Art. 17 Abs. 3 Buchst. e DSGVO?

Da regelmäßig über urheberrechtliche Nutzungsrechte gestritten wird, könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass im Streitfall der Nachweis von Urheberschaft und exklusiven Nutzungsberechtigungen nicht mehr möglich ist, wenn die Archivdateien vollständig gelöscht werden. Diese in der Literatur diskutierte Konstruktion trägt leider nicht. Denn es bedarf für diese Ausnahme von der Löschungspflicht nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. e DSGVO nicht eines abstrakten und möglicherweise bevorstehende Streifalls, sondern die Streitfälle müssen schon stattfinden oder sicher bevorstehen (Kühling/Buchner 2018, DS-GVO BDSG Art. 17 Rn. 83). Andernfalls könnte nahezu jeder Löschungsanspruch des Betroffenen mit der Argumentation einer möglicherweise bevorstehenden rechtlichen Auseinandersetzung abgewehrt werden.

Lösung zur Archivierung der Fotodaten gemäß Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DSGVO – „freie Meinungsäußerung und Information“

Schwerlich einzusehen ist es, dass Porträts sowie Fotos auf denen Personen agieren, und die unter Verwendung von finanziellen Mitteln erstellt wurden, der kompletten Vernichtung anheimfallen, wenn fotografierte Personen z. B. ihre Einwilligung wiederrufen und den Widerruf gemäß Art. 7 Abs. 3 DSGVO noch nicht einmal begründen müssen.

Ebenso unbefriedigend verhält es sich mit der Zerstörung der ideellen Werte von Personenfotos: Unternehmen und Vereine haben eine Geschichte, die dokumentationswürdig werden kann. Ein Belegschaftsfoto vor dem Werksgebäude mag heute langweilig erscheinen. In einigen Jahrzehnten wird es wie schriftliche Dokumente von hohem Wert für die Dokumentation der Firmengeschichte werden. Denkbar ist daher, dass die Archivierung im Rahmen der Kommunikationsrechte einer Organisation entsprechend der Löschungsausnahme Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DSGVO möglich ist. Die Ausnahmeregelung des Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DSGVO soll der Wahrung des Rechts zur Ausübung der freien Meinungsäußerung und der Information dienen. Sie ist nicht allein auf den Bereich professioneller Medien beschränkt (Kühling/Buchner 2018, DS-GVO BDSG Art. 17 Rn. 72). Unternehmen und Vereine können diese Grundrechte ebenso wie natürliche Personen in Anspruch nehmen (Art 5, Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz).

Nach der hier vertretenen Ansicht können Unternehmen und Vereine Personenfotos, die im Zusammenhang der sie betreffenden Aktivitäten angefertigt wurden, aufgrund der Ausnahmeregelung zur Löschungspflicht „Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit“ des Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DSGVO dauerhaft archivieren. Die Rechte der Betroffenen können dabei angemessen gewahrt werden, wenn die Daten unter „eingeschränkter Verarbeitung“ stehen und z. B. auf einer gesonderten Festplatte, die nicht an das Bildmanagementsystem gekoppelt ist, abgelegt werden.  


Das Foto zeigt den Kohlen-Import Wilhelm Fischbek & Co. KG um 1928 Fotograf: Unbekannt, Quelle: Stadtarchiv Kiel, Rechtsstatus: CC BY-SA 3.0 DE

Christian W. Eggers, 6. März 2019.

Letzte Aktualisierung dieses Beitrages: 23. Juni 2019