Urheberrechtsreform – Neue Instrumente des Urheberrechts in der Übersicht – Teil 1 „Kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung“

Mit der Urheberrechtsreform, die am 7. Juni 2021 in Kraft treten soll, werden fünf neue Konstrukte eingeführt. Diese Artikelreihe stellt die konzeptionellen Erweiterungen dar und vermittelt einen Überblick zu ihren praktischen Auswirkungen. Im ersten Teil geht es um die Einführung sogenannter „kollektiver Lizenzen mit erweiterter Wirkung“.

Was sind kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung?

Kollektiv ist eine Lizenz zunächst dann, wenn sie im Rahmen des  Zusammenschlusses von Urhebern zu einer Verwertungsgesellschaft durch die Gesellschaft für bestimmte Werkkategorien (z. B. Bilder und Texte),  erteilt wird. Einzelne Rechte einzelner Urheber werden also „kollektiv“ verwaltet. Das ist nichts Neues.

Die Einführung von kollektiven Lizenzen mit erweiterter Wirkung soll es den Verwertungsgesellschaften ermöglichen, Werknutzern „zu geringen Transaktionskosten“ umfassende Lizenzen durch Vertragsabschluss mit der Verwertungsgesellschaft (z. B. VG Wort)  zu verschaffen (siehe Seite 2 Gesetzesentwurf). Mit Transaktionskosten sind nicht (!) Honorare gemeint, sondern die Kosten, die druch die Rechteklärung enstehen.

Hierbei können nunmehr grundsätzlich auch die Werke von Personen, die nicht durch die Gesellschaft vertreten werden („Außenstehende“), lizenziert werden. Die Lizenz ist auf diesen Personenkreis „erweitert“. Der Gesetzgeber nennt diesen Vorgang der vertraglichen Rechteeinräumung „kollektive Lizenz mit erweiterter Wirkung“ (Abkürzung: ECL für Extended Collective Licences).

Geregelt ist der Rechteerwerb über die Verwertungsgesellschaften zukünftig im Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) mit den neuen §§ 51 bis 52e VGG.

Begrenzte Privatautonomie Außenstehender

Zum Schutze der Außenstehenden, also der Personen, die gar keinen Wahrnehmungsvertrag mit der Gesellschaft über die Vermarktung ihrer Werke abgeschlossen haben und so ohne ihre vorherige Zustimmung an vertragliche Werknutzungen durch Fremde gebunden werden, sind zahlreiche Regelungen eingebaut. So etwa, dass der außenstehende Rechteinhaber der konkreten Rechteeinräumung zu Gunsten eines konkreten Nutzers durch die Gesellschaft widersprechen kann. Ebenso zum Schutz der vertretenen und außenstehenden Rechteinhaber darf die Verwertungsgesellschaft den Werknutzern keine ausschließlichen Nutzungsrechte einräumen (siehe § 34 Absatz 1 Satz 1 VGG).

Sinn und Zweck der Regelungen

Ziel der Einführung kollektiver Lizenzen mit erweiterter Wirkung ist die Erleichterung von Werknutzungen auf vertraglicher Basis. Lizenzgeber sind die Verwertungsgesellschaften. Diese sollen den Lizenzerwerb der Werknutzer erleichtern, indem sie auch Rechte von Personen einräumen dürfen, die der Gesellschaft hierzu gar keine Rechte eingeräumt hat. Damit sollen „Massennutzungen“ auf Plattformen leichter zu lizenzieren  sein.

Die Regelung dient zum Erhalt des Kulturerbes, so dass kulturelle Einrichtungen zur Vervielfältigung und zur öffentlichen Zugänglichmachung (Internet-Veröffentlichungen) berechtigt sein sollen.

Beispiel

Eine Stiftung zur militärgeschichtlichen Forschung hat für eine über ein Jahrzehnt andauernde Vortagsserie diverse Grafiken und Fotos erworben. Nun möchte die Einrichtung die gesammelten Vorträge über ihre Website der Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Redaktion der Einrichtung würde jetzt in monatelanger Kleinarbeit individuelle Absprachen mit den Rechteinhabern treffen müssen. Über die Verwertungsgesellschaft VG Bild-Kunst kann die Einrichtung nach der neuen Regelung nicht nur die Bilder und Grafiken der von der Gesellschaft vertretenen Personen für ihr Vorhaben erwerben, sondern auch die  Werke von Außenstehenden, die Bilder und Grafiken für Vorträge geliefert haben.

Lizenzierungen nicht verfügbarer Werke

Über die oben beschriebene Regelung hinaus soll es auch möglich sein Werke zu lizenzieren, die nicht im Handel erhältlich sind und sogar Werke, die bisher nicht gehandelt wurden. Diese Werke werden als „nicht verfügbar“ bezeichnet (§§52 ff.; 141 VGG und § 61d UrhG).

Bisher wurde für vergriffene Werke ein Register beim Deutschen Patent- und Markenamt geführt. Bevor ein Werk lizenziert werden kann, muss es zunächst im Register vergriffener Werke des DPMA eingetragen werden. Dieses Register soll 2025 geschlossen werden. Abgelöst wird es durch ein europaweites Informationsportal beim Europäischen Amt für geistiges Eigentum (EUIPO) für den Eintrag „nicht verfügbarer Werke“ im Sinne der neuen Regelungen.

Sonderfall einer gesetzlichen Erlaubnis

Mit der Regelung des § 61d UrhG besteht für kulturelle Einrichtungen eine gesetzliche Erlaubnis zur öffentlichen Zugänglichmachung dann, wenn keine geeignete Verwertungsgesellschaft zur Rechteeinräumung  an dem konkreten Werken besteht.

Erstreckung der Lizenz auf verwandte Schutzrechte

Die Regelungen zu den kollektiven Lizenzen gelten gemäß § 52e VGG nicht allein für Werke im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG. Eingeschlossen  sind jetzt ausdrücklich auch Inhalte, die durch sogenannte verwandte  Schutzrechte (also, den Urheberrechten ähnliche Rechte) geschützt sind.

Beispiel

Es sollen verschiedene  Musiktitel durch ein Institut zur Jazzforschung im Internet abrufbar sein. Tonträgerhersteller und Interpreten werden in die Lizenzierung eingeschlossen, so dass sich das Forschungsinstitut nicht um gesonderte Lizenzen bemühen muss.

Vergütungen der Nutzungen

Bei der vertraglichen sowie auch bei gesetzlichen Erlaubnissen zur Nutzung im Rahmen von kollektiven Lizenzen besteht ein Vergütungsanspruch der Rechteinhaber. Auch wenn Außenstehende „zwangskollektiviert“ werden, muss die abschließende Verwertungsgesellschaft einen Teil der durch die Nutzer zu entrichtenden Vergütungen natürlich auch an die außenstehenden Rechteinhaber ausschütten.

Christian W. Eggers, 5. April 2021 – eggers@nordbild.com  

Zum Teil 2: „Das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG)“